Ich gebe zu, dass Leben kann manchmal recht praktisch sein, wenn ein Lebensmitteldiscounter in direkter Nähe zum eigenen Wohnhaus steht. Gerade dann, wenn man so kurz nach Feierabend noch mal eben etwas totes Tier zum Veilchendienstag-Abendmahl benötigt, sind die 300 Meter Fußweg
(theoretisch) ein schnelles Unterfangen. Idealerweise stellt man sein misanthropisches Ego in den Egal-Modus, um den kommenden Ereignissen nicht zu viele Zugangsoptionen zum Einlass in die eigenen Gehirnöffnungen anzubieten. Also Augen zu und durch, denn wie zu erwarten, werden die folgenden Begegnungen nicht ohne besondere Herausforderungen sein (und ganz ehrlich, es ist alles exakt und genauso passiert).
Bereits nach ein paar Metern auf dem Bürgersteig vernahm ich ein leichtes Surren hinter mir und eine Reaktionssekunde später, streifte mich bereits der Fahrradlenker eines älteren E-Bike-Fahrers. Ohne sich zu entschuldigen, raste der Typ einfach weiter und murmelte sich etwas in den Bart. Ich war perplex und wandelte zwischen dem Gedanken hinterherzurennen oder nach einem Stein zu suchen, den ich als Wurfgeschoß hätte verwenden können. „Du Ars….ch“ schrie ich ihm hinterher. Viel zu spät, denn er war bereits schon außer Sichtweite.
Ich ärgerte mich noch bis zum Kreisverkehr, der direkt vor dem großen „A“ des Discounters angelegt war, um einkaufswillige PKWs dorthin zu führen.
Natürlich hielt keines der sieben KFZ, die in meine Richtung abbogen, obwohl die Straßenverkehrsordnung dies so vorsieht (ja, ist tatsächlich so, wer aus dem Kreisverkehr rausfährt muss für Fußgänger halten. Wer reinfährt übrigens nicht, außer da ist was mit Streifen auf dem Boden).
Ich hatte mich beinahe schon daran gewöhnt, dass dies kaum jemand weiß und hatte es auch schon seit vielen Jahren aufgegeben, andere darüber zu belehren. So etwas endet grundsätzlich immer im Empfang von Körperöffnungsbezeichnungen schreiender Beifahrern. Die Lücke zum Überqueren der
Straße war ausreichend und auch die vielen parkenden, ein- und ausfahrenden PKW vom Parkplatz überlebte ich schadlos. Direkt vor der Tür stand ein wartender PKW aus dem der Fahrer seine brennende Kippe über ca .4 Meter Richtung Außenregalware schnippte. Ich applaudierte.
Im Discounter angekommen würde ich als erstes vor mir liegendes Mandarinen-Netz aufheben, welches gerade zwei Jugendliche einfach so hatten runterfallen lassen. Ein paar Meter später, verfolgte ich aus den Augenwinkeln, wie standardmäßig diverse Kunden mit bloßen Händen in die Backwarenauslage griffen, nachdem sie ihren bakteriell intensiv verseuchten Einkaufswagen einige Meter vor sich herschoben. Ich flüsterte vor mir her…“nicht hinsehen und nicht nachdenken…nicht hinsehen und nicht nachdenken…“ und erreichte kurz darauf die klapptürgesicherte Auslage, grill- und kochbarer Tierüberreste. Leider versperrte ein gut gefüllter Einkaufswagen meinen Zugriffswunsch nach einem Stück Rind, welches dem aktuellen Beuteschema zur Stillung meiner niedrigen Grundinstinkte entsprach. „Darf ich einmal bitte an die Tür“ fragte ich die zugehörige Besitzerin des Einkaufswagens? Sie verneinte mit der Antwort, dass sie noch einen Moment selbst benötigen würde. Aber sobald sie fertig wäre, würde sie den Wagen beiseite fahren.
Ich atmete für zwei-drei Sekunden durch und erwiderte freundlich, dass dies nicht akzeptabel wäre und ich in Kürze beabsichtige, dies dann selbst zu tun. Ihr Versuch, mich mit ihrem Blick des Todes zu eliminieren misslang und sie zog widerwillig ihr fahrendes Metallgestell beiseite. Ein „Danke“ kam mir nicht über die Lippen, stattdessen fischte ich zügig ein Stück Bratgut durch die geöffnete Kühltür und entschloss mich zum schnellen Verlassen der Räumlichkeiten.
Aber wie zu erwarten, war ja da noch der Bezahlvorgang zu überstehen und an der Kasse würde natürlich auch schon der nächste Vollhonk auf mich warten. Kollege Minderbemittelt schob zwei Sechserpacks Wasser mit seinen Füßen vor sich her und verstand meine Anregung, mindestens eins davon aufs Band zu stellen, wohl eher als unnötiges Vorhaben. Ich wusste schon jetzt, dass mein Stück Fleisch zeitnaher am Scanner ankommen würde, bevor er die Kassiererin auf sein Kaufgut hätte hinweisen können. Auch eine zweite Empfehlung ignorierte er.
So kam es wie es kommen musste. Ehe er um die Kasse herumgehen konnte, hatte sie mein Paket bereits gescannt und forderte die entsprechende Summe nun von ihm ein. Er widersprach mit den Worten „gehört nicht mir“ und zeigte gleichzeitig auf den Boden. Die A-Angestellte bat ihn, das Produkt anzureichen und es zu scannen, stornierte leise Fluchend mein Fleisch und wies ihn darauf hin, beim nächsten Mal, die Produkte aufs Band zu stellen.
Wie zu erwarten, war seine Antwort eine Mischung aus murmelnden und beleidigendes Unverständnis.
Natürlich hätte ich rechthaberisch darauf hinweisen können, dass ich es bereits vorher empfohlen hatte, vermied aber die Äußerung weiterer Details und lächelte etwas mitleidig die Kassiererin an
und stellte mir vor, wie es sein muss, den ganzen Tag hier sitzen zu müssen. Ich verließ den Laden mit einem schlechten Gefühl. In dieser Hölle der Dummen und Ignoranten arbeiten zu müssen, erschien mir nicht besonders toll. Mir reichte ja schon der Weg hin und zurück und das kurze Verweilen zwischen der großen Menge an einkaufenden Menschen, die weder Respekt noch Anstatt kennen.
Auf dem Heimweg würde ich natürlich wieder am Kreisverkehr unter fröhlichem Hupen des Hintermanns die Straße überqueren können, bedankte mich artig beim Vordermann, der so nett war mich herüberzulassen und sparte mir anschließend nicht, dem ausrastenden PKW dahinter noch einen „Daumen Hoch“ anzubieten. Sein Theater war einfach außergewöhnlich und beeindruckend. Selten hatte ich gesehen, wie man sich so zum Affen machen kann, wenn das Fahrzeug vor Dir, völlig korrekt und verkehrskonform einen Fußgänger über die Straße lässt.
Das mir auf den letzten Metern noch ein Kind auf dem Fahrrad, unbeleuchtet und in schwarzer Kleidung, auf dem Bürgersteig entgegenkam; Geschenkt! Es war mittlerweile 19.30 und nahezu komplett dunkel. Wäre es von hinten gekommen, hätte es wohl die andere Armseite gestreift.
Jetzt wo ich diese Zeilen schreibe und mich nochmal an die eindrucksvollen Begegnungen zu erinnern, bin ich dankbar über so viel Glück, die letzten Minuten unbeschadet überlebt zu haben…Und es waren nur 45.
aus!geschaltet: (M)ein Leben als Tasten-Musiker, einkaufender Medialist, Smart-Home-Benutzer und ewig tierliebender Menschheits-Betrachter! Es gibt hier seltene Ein- und Ausblicke, einfach verfasst in hemmungslose Kurzgeschichten, verortet zwischen den weiten Welten des isolierten Discounting-Wahnsinns und den grenzwertigen Out-Tor-Beschaffungs-Erkenntnissen, die noch vor einigen Jahren zielsicher in eine geschlossene Einrichtung geführt hätte. Aber heute scheint das alles völlig normal zu sein, obwohl es doch viel häufiger besser wäre, einfach mal Alle und Alles aus!zuschalten... 
Frisch aus!geschaltet
Zufälliges aus dem Blog-Archiv
Astronautentechnik
Wenn der Kolumnist mal für kurze Zeit sein musikalisches Umfeld verlässt und sich unfreiwillig in die Welt der Verfechter von Glauben an Globuli begibt, sollte man entweder jegliches rationales Faktendenken abschalten oder besser einfach alles hinterfragen. So geschehen beim Besuch einer kreuzgeleiteten Räumlichkeit im Dorf nebenan. Gerade noch konstruierte ich den Beschaffungsgedanken meines alljährlichen Allergienasensprays, da erblickte ich beim Eintritt in die Apotheke den Aufsteller eines einmaligen (und real existierenden) Gesundheitsangebotes.
Di-Jay
Gedankenvertieft, Katalog blätternd und leicht verträumt schlurfte ich durch die Verkaufshallen eines großen Musikbedarfshandels. Praktischerweise und rein zufällig hinderte mich eine leuchtend blaue LED-Wand sowohl am Weitergehen, als auch vor einem sicheren Sturz in die grell ausgelegte Warenansammlung diverser DJ-Produkte.
“Oha“, dachte ich! Einer meiner seltenen und sinnierenden Musik-Kram-Besuche hätte mich beinahe ins Unglück gestürzt, wäre da nicht die zuvorkommende Bewerbung eines Plattenaufleger-Produktes gewesen, welche mich unfreiwillig vor einem apokalyptischen Fall in die DJ-Welt gehindert hätte. Was hatte mich denn eigentlich gerettet? Und wo war ich überhaupt?
Im Musik-Strudel der Verdammnis
Als 1968 geborener Musikliebhaber hat man so einige Epochen kommerzieller Übermittlungen von tonalen Trends und Stilrichtungen miterlebt. Egal ob via Radio, TV oder echte Langspielplatte, jede Zeit hatte ihre Errungenschaften und Veränderungen, die die eigenen Vorlieben maßgeblich geprägt haben. Ganz besonders war die Zeit, in der man nur mit Dolby C- bis X-angereicherten Kassettenrekordern aktuelle UKW-Sendungen mitschnitt, um sich über missratene Aufnahmen wegen Sprachunterbrechungen des Moderators zu ärgern. Ach wäre doch ein bisschen von dieser Nostalgie ins heutige Jahrtausend zu retten gewesen, denn wenn das digitale Radio im Auto die aktuellen jammerläppischen Deutschpop-Produktionen erklingen lässt, wünscht man sich doch gerne mal die eine oder andere Sprachinformation, die dem marketinggerechten „Oh-Eh-Oh“ der Giesingers, Tawills und Bouranys dieser Welt die Luft entzieht.
Nein, ich brauche kein USB-Kabel
"Oh, Mist“!...ich kratzte meinen Kopf und erschauderte. Das ich heute, nach einem so beschaulichen Studiotag doch noch mal alle kausalen Hirnaktivitäten jenseits der Schädeldecke benötigen würde, war so nicht zu erwarten. Es war eine Katastrophe, mein Drucker druckte nicht!
Die Tintenfüllstandsanzeige leuchtete in Stoppschildfarbenden Warnmuster und ich startete schon mal gedanklich, die unweigerlich anstehende Beschaffungs-Maschinerie:
Anziehen – Kaffee machen – Kaffee trinken - Auto aus der Garage – zum Bankomaten fahren -zurückfahren da Karte vergessen - Tanken – evtl. dort auch noch einen Kaffee trinken - noch mal nach Hause da Handy vergessen – und endlich zum Tintenverkäufer fahren!
Noch leiser ist aus!
„Mach die Musik leiser“, schallte es aus der oberen Etage. Ich stutzte kurz und mutete die Monitore. Eigentlich hatte ich nur „usik leisa“ verstanden, konnte aber aus der signalgebenden Frequenz des Übermittlungsversuches erahnen, dass meine Lebensabschnittsgefährtin das Ungleichgewicht meines Abmisch-Lautstärkeanteils zu ihrer Fernsehausstrahlung reklamierte. „Ist doch gar nicht so laut“, erwiderte ich durch einen Türspalt meines Kellerstudios und erwartete noch in den nächsten Sekunden eine weitere Unterlassungs-Aufforderung.
Fiiiiiiep
Auch im Musikerleben gibt es Tage, da sollte man besser im Bett bleiben. Gerade dann, wenn morgens um halb neun die ersten Werbetelefonate die gerade angetretene Nachtruhe (ja für Musiker ist das noch Nachtzeit) jäh unterbrechen, drei verkleidete Kinder singend vor der Tür Buchstaben an den Türrahmen malen oder der Postbote eine Unterschrift für die erste der letzten Mahnungen per Einschreiben einfordert. Des Musikers bessere Hälfte hatte bereits vor Stunden das Haus verlassen und noch immer ärgerte ich mich, dass ich keine abschaltbare Türklingel besaß.
Saiten-Weise
Als Tastenmusiker stellt man sich doch ziemlich viele existenzielle Fragen im Leben, wie beispielsweise „analog oder digital“, „Workstation oder Computer“ oder auch „Mars oder Snickers“, aber niemals musste ich über „Taste oder Saite“ nachdenken. Nicht dass die portable Anwendung stromloser Notenwiedergabe keine Vorteile hätte, aber die unlötbare Aufgabe, mit einem Instrument zu arbeiten, das auch ohne selbstgestricktes Kabel, ohne MIDIfizierten Controller oder gar ohne USB-Anschluss ausgerüstet ist, lässt es mir kalt den virtuellen Klangrücken herunterlaufen.
